03.08.2015
Der Bassist und Sänger Avishai Cohen und die Pianistin Anke Helfrich bei Palatia Jazz im Alten Rathaus in Schifferstadt
von Gereon Hoffmann
Avishai Cohen, einer der international gefragtesten Bassisten der Gegenwart, begeisterte mit seiner unglaublichen Virtuosität beim Palatia Jazz in Schifferstadt. Die Veranstaltung hatte im schönen Ambiente besondere Atmosphäre. Den Abend eröffnet hat die Pianistin Anke Helfrich, die einen beeindruckenden Ausblick auf ihr nächstes Album gab.
Vier Zugaben, das will was heißen. Die Zuhörer konnten
von Avishai Cohen einfach nicht genug bekommen. Und Cohen, der dieses
Konzert am Ende einer langen Europatour gab, schien auch berührt, von
dem Jubel, der ihn umtoste. Cohen war nach Schifferstadt mit
Trio-Besetzung gekommen. Klavier spielt dabei Nitai Hershkovitz, am
Schlagzeug sitzt Daniel Dors. Natürlich weckt so ein Trio unter
Jazzfreunden hohe Erwartungen, gibt es hier doch ganz große Vorbilder,
vom Bill Evans Trio bis zum Elbrörn Svensson Trio. Aber oft genug hatte
in solchen Besetzungen der Pianist eine dominante Rolle. In jüngerer
Zeit trat die Interaktion der Musiker immer mehr in den Vordergrund. Das
war auch ein prägendes Merkmal von Cohens Auftritt. Cohen
ist als Bassist so populär, weil er zu den emanzipierten Bassisten
gehört, die nicht nur als Facharbeiter des Grooves im Hintergrund
werkeln, sondern auch als Solist und Leader im Vordergrund stehen
können. Der aus Israel stammende Musiker bringt dazu noch eine enorme
Bühnenpräsenz mit. Manchmal scheint er mit seinem Kontrabass zu tanzen.
Der herausfordernde physische Umgang mit dem unförmigen Instrument mit
den dicken Saiten wird dabei recht anschaulich.
Was Cohen in Schifferstadt spielte, war eine Musik, die sich um
Genregrenzen nicht schert. Die Stücke sind auf seinem Album „From
Darkness“, das im vergangenen Oktober veröffentlich wurde – aber
natürlich erfindet das Trio die Stücke jedes Mal neu. Ausführlich haben
Klavier und Schlagzeug Gelegenheit, in den Mittelpunkt des Geschehens zu
treten. Als Komponist verbindet Cohen viele Einflüsse, die ihn geprägt
haben. Dazu gehören europäische Klassik, jüdische Folklore,
afrokubanische Tanzrhythmen, Funk, aber auch Pop und Rock.
So begann ein Stück mit einem Kinderlied, einfach und gesanglich, auf dem Klavier. Der Bass kommt dazu und greift die Melodie auf. Als das Schlagzeug mit Besen einsteigt, wird das Metrum in Doubletime umgedeutet und es geht flott zur Sache. Cohen wechselt zur Groove-orientierten Spielweise und spielt dabei enorm schnelle Linien, wie sie bei Funk-Bassisten der Motown-Ära zu hören waren. Das Stück mündet in ein begleitetes Basssolo, bei dem Cohen mit verblüffender Leichtigkeit durch alle Register des Basses fliegt. Seine Spielweise kennt viele Spezialeffekte, die man in solcher Dichte selten hört. Lange Glissandi, Doppelgriffe, die Akkordverläufe skizzieren, Flageoletts, Perkussionseffekte durch Klopfen auf den Korpus, manchmal sind es auch bewusst humorvolle „Tricks“, etwa wenn Cohen sich den ganzen Basshals hocharbeitet und dann über das Ende des Griffbretts hinaus spielt.
Pianist Hershkovitz steht dem Bandleader in Sachen Virtuosität und Vielseitigkeit in nichts nach. Von sanften Akkorden, die an französische Impressionisten erinnern, bis hin zu effektvoll perlenden Rasereien kann er aus dem Vollen schöpfen. Auf gleichem hohen Niveau bewegt sich Dors am Schlagzeug. Auch er ist Interaktionspartner auf Augenhöhe. Mehrmals reißt er mit besonderen Solos das Publikum mit.
Die Musiker spielten wortlos ihr Set, erst zu den Zugaben griff Cohen zum Mikrofon. Da erzählte er nicht nur von diesem besonderen Abend am Ende der Tour – er begann auch zu singen. Es gab ein argentinisches Lied, nach einem mitreißenden Salsa-Stück sang Cohen noch „Nature Boy“, was sehr fragil und anrührend wirkte. Und weil selbst danach das Publikum sich nicht beruhigte, gab es noch eine Zugabe.
Anke Helfrich stellte erst einige Stücke aus ihrem bisherigen Schaffen vor. Wenn sie am Piano so richtig groovt, meint man, ein bisschen Les McCann mitzuhören. Blues, Gospel und Soul fließen ein. Aber die aus Weinheim stammende Künstlerin beherrscht auch die Klangmalerei mit farbigen Akkorden, mit fein abgestimmten spannungsvollen Klängen bis zu starken Dissonanzen. Da gibt es Linien in kleinen Sekunden und in „Upper West Side“ meint man Polizeisirenen und Verkehrslärm zu hören.
Sehr spannend war der Ausblick auf Helfrichs aktuelle Arbeit. Sie beschäftigt sich mit Persönlichkeiten wie Martin Luther King. Dessen berühmte Rede „I have a dream“ lässt sie über eine Einspielung hören und spielt dazu Klavier. Faszinierend ist, wie sie Kings Tonfall und Sprachrhythmus aufgreift. Als brillanter Redner hat King damit bewusst gearbeitet. In seinen Sprechpausen gibt es dialogische Antworten des Klaviers, dann folgt die Musik wieder der Rede.
Die Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau - Nr. 177
Montag, den 3. August 2015
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