27.06.2016
Das Orchestre des Contrebasses eröffnet die Palatia-Jazz-Saison in der Gedächtniskirche in Speyer und überschreitet dabei Grenzen
So wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht – und in diesem Jahr schon mal gleich gar nicht –, so macht ein Kontrabass noch lange kein Orchester. Doch deren sechs ergeben durchaus eines, wie das Orchestre des Contrebasses am Samstagabend in der Speyerer Gedächtniskirche bewies. Die Franzosen eröffneten die 20. Ausgabe des Festivals Palatia Jazz auf unkonventionelle Weise und verpassten der Jubiläumsausgabe des Pfälzer Jazzgipfels schon mal einen klangvollen Auftakt
Seit 25 Jahren – ein weiteres Jubiläum – ziehen die sechs Kontrabassisten um ihren Spiritus Rector Christian Gentet nun schon mit ihren Tieftönern durch die Lande; die große Aufmerksamkeit blieb ihnen, in unseren Breiten zumindest, bislang verwehrt. Was einerseits am Image des rhythmusgebenden, grummelnden Begleitinstruments liegen mag, ist andererseits den Contrebassisten ein Auftrag: eben das Instrument aus seinem Nischendasein zu befreien, es in all seinen Dimensionen zu entfalten – und noch darüber hinaus.Dabei loten sie natürlich aus, was man auf den vier Saiten alles anstellen kann: Sie schlagen, streichen, vom Sattel über den Steg bis zur unteren Saitenhalterung bearbeiten – und das auf hoch virtuose Weise. Aber auch die percussive Seite des Instruments wird in allen möglichen Varianten ausgereizt. Und um’s kurz zu machen: Der Trommelwunderkiste Cajon steht der Kontrabass nun wirklich in nichts nach.
Dass der
mächtige Klangkörper auch optisch was her macht, nutzen ihre Bediener
ebenso aus. Fast schon choreografisch verschmelzen Instrument und
Musiker zur Einheit, wiegen sich selig im Walzertakt und bekriegen sich
auch schon mal, wenn die Kontrabasswesen, mit auf dem Kopf gestelltem
Korpus, die Stachel zum Florettkampf ausfahren. Wie Außerirdische muten
die Kunstfiguren an, wenn sich die Musiker hinter ihren umgedrehten
Instrumenten verstecken, sie auf zwei Beinen herumstolzieren lassen und
dabei allerhand Gags und Geräusche produzieren.
Überhaupt trägt die gelungene Inszenierung einen wichtigen Teil zur
Gesamtwirkung bei. Und die humoristischen Streiche und Fehden, die sich
die Akteure zwischendrin immer wieder liefern, kommen zweifelsohne gut
an. Ebenso wie die Geräuschkulissen, die in dem atmosphärisch
illuminierten Gotteshaus lautmalerisch Bilder von Möwengeschrei bis
Autorennen plastisch werden lassen. Mitunter entstehen dabei kleine
Geschichten, Pointen inklusive.
Doch auch abseits aller Effekte
punkten die Bassisten: Dies am meisten, wenn sie zum innigen Miteinander
gelangen. Wenn sie über minimalistisch wiederholten Grundfiguren zu
melodiösen Höhenflügen ansetzen. Wenn sie im rhapsodischen Trio – nicht
immer stehen alle Sechs auf der Bühne – zu Momenten romantischer Tiefe
finden. Wenn sie Klangelegien ausbreiten, in die man einfach nur
eintauchen möchte. Hier hätte die temporeiche Inszenierung durchaus noch
eine Vertiefung vertragen.
Die musikalischen Temperamente der
Nummern sind dabei vielgestaltig: Von der klassischen bis zur rockigen
Attitüde reichen sie. Anklänge an Gitarrengötter wie Jimi Hendrix
scheinen herauf, wenn Gentet seinen Saiten schabende Verzerrungen
entlockt. Und natürlich ist auch ganz viel Jazz drin, im wilden Mix des Sextetts, inklusive eleganter Latin-Strukturen.
Schlagen letztere Versatzstücke den Bogen zum Jazzfestival, so ist es auch das improvisatorische Moment, das den Auftritt der Contrebassisten als Opener von Palatia Jazz rechtfertigt. Und immer wieder heimsen die Musiker für ihre solistischen Saitensprünge Szenenapplaus ein. So kann’s also weiter gehen im Konzertreigen.
Von Fabian R. Lovisa
Die Rheinpfalz - alle- Nr. 147
Montag, 27. Juni 2016
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