15.08.2021
Mannheimer Popjazz begeistert in der Pfalz
Von Jörg-Peter Klotz
Rohrbach. Das 1800-Einwohner-Örtchen
Rohrbach hat nicht jeder pfalzerfahrene Kurpfälzer auf der persönlichen
Ausflugskarte. Von daher ist zu hoffen, dass am extrem sonnigen
Samstagabend kein Fan durch den gleichnamigen Heidelberger Stadtteil
irrt, um das erste offizielle Konzert des Söhne Mannheims Jazz
Department in der erweiterten Region zu erleben. Dass es im Rahmen der
renommierten Musikkulinarik-Reihe Palatia Jazz stattfindet, müsste aber
Hinweis genug gewesen sein. Schließlich ist es das Markenzeichen von
Yvonne Moissls verdienstvollem Festival, dass es schöne Orte in der
Pfalz für Konzerte erschließt. Diesmal führt sie Jazz-Fans und Anhänger
der Söhne Mannheims in die Nähe von Landau, wo in der Verbandsgemeinde
Herxheim der kleine Weinort Rohrbach liegt.
Auf stolze acht Winzer
kann die kleine Gemeinde verweisen. Beim klingendsten Namen, dem Weingut
Ökonomierat Lind mitten im Ort, hat Palatia Jazz ein Mannheim Special
zwischen Jazz und Pop angesetzt. Die Location liegt zwar mitten im Ort,
doch hinter der etwas schmucklosen Fassade steckt nahezu Natur pur. Ein
Innenhof mit großer Rasenfläche, auf dem eine große kalifornische Eiche
und ein Schwarznussbaum Schatten spenden. Reichlich Platz für rund 250
Zuschauerinnen und Zuschauer, fast das Maximum bei den aktuellen
Regelungen. Darunter viele aus Mannheim und der Metropolregion, wenn man
nach den Kennzeichen auf dem Parkplatz geht.
Der kleine Park ist ein nahezu idealer Spielort für Julia Nagele, die Moissl schon 2011 bei den Jugendjazztagen von Palatia Jazz kennengelernt hat, wie die Festivalmacherin bei der Begrüßung erzählt. Die Wahl-Mannheimerin aus München, die in der Quadratestadt sowohl Jazz als auch an der Popakademie studiert hat, setzt bei den Inhalten und dem Vertrieb ihrer Musik hohe ökologische Standards. Und bestreitet unter ihrem Künstler- beziehungsweise Projektnamen Listentojules das Vorprogramm bei sehr sommerlichen 30 Grad. Gemeinsam mit Schlagzeuger Julian Losigkeit aus dem nahegelegenen Oberotterbach schafft sie es, die vielfältige Klangmagie ihrer aktuellen EP „Listen 2 Sessions“ auch ohne die weiteren Duettgäste der einzelnen Songs auf die Bühne zu transportieren. Vom ersten stimmstarken Song mit Losigkeit als zweiter Stimme, der aus der kleinen Form mit E-Gitarre und Drums plötzlich mächtig Dynamik entwickelt. Beim Elf-Achtel-Takt der Mitklatschnummer “It’s Raining” verklatscht sich ausgerechnet der studierte Rhythmus-Profi, nimmt’s aber mit Humor und gleicht das mit einem eindrucksvoll vertrackten Solo aus, das viel Szenenapplaus erntet. Die atmosphärisch starken, rhythmisch temperamentvollen Songs passen wie “Movin’ On” oder “White Wall” perfekt in einen solchen Sommerabend. Und das dem bedrohten indonesischen Regenwald gewidmete, ausdrucksstarke “Caleidoscope“ fügt sich wunderbar in den Rahmen. Listentojules interpretiert es solo, so dass man ihren eigentlichen Partner bei der kraftvollen Ballade nicht vermisst. Normalerweise, also im YouTube-Video und bei der Studioversion, setzt Söhne-Gitarrist und Popakademie-Dozent Kosho seine unverkennbare Note. Schon vor dem letzten Lied, dem fast südamerikanisch betanzbaren, etwas jazzigere “Counting Sheep” ernteten Nagele und und der noch einmal stark solierende Losigkeit zu Recht viel Beifall. Eine gute Stunde in jeder Hinsicht, zu der noch energisch eine Zugabe, in der das Life easy ist.
Nach kurzer Pause folgt die Jazz-Abteilung der Söhne
Mannheims, die Bandleader Edward Maclean auf dem Debütalbum „Söhne
Mannheims Jazz Department“ (2020) sehr souverän zwischen Jazz und Pop
aufgestellt hat. Normalerweise wuchert die von Xavier Naidoo konzipierte
Band mit jeder Menge Männerstimmen. In diesem Quintett gibt es nur
Michael Klimas und – fast revolutionär – die erste Frau im Söhne Kosmos.
Die durch zahllose Projekte, allen voran Les Brünettes, bekannte
Jazzsängerin Stephanie Neigel macht sich dabei unter dem Pseudonym
Phalleé mit eigener Perspektive die Söhne Hits von „Geh davon aus“ bis
„Das hat die Welt noch nicht gesehen“, mit dem das Set beginnt, zu eigen
– und mischt natürlich auch bei den neuen, eigenen Songs des Sextetts
mit. Wie der neuen Single „Lass los“. Neben Bassist MacLean und Kosho
wird es vom furiosen Ur-Söhne-Drummer Ralf Gustke und dem versierten
Keyboarder Sascha Stiehler. Auf der Platte hatte noch Ulf Kleiner
gespielt.Das alles läuft ideal temperiert, heiß genug für den langsam
abkühlenden herrlichen Sommerabend.
Ausgabe | Mannheimer Morgen |
Datum | 15. August 2021 |