16.08.2021
In Rohrbach waren gleich drei Premieren zu feiern
Von Matthias Dreisigacker
Krisen können Chancen und bisweilen auch Glücksfälle sein. Dass die Wege von der Floskel zur Wirklichkeit manchmal überraschend kurz sind, zeigte ein zauberhafter Sommerabend mitten in Rohrbach, wo das Festival Palatia Jazz zum ersten Mal im Garten des Weinguts Ökonomierat Lind gastierte.
In ihrer Begrüßungsansprache verwies Susette Yvonne Moissl, die künstlerische Leiterin der herausragenden Veranstaltungsserie, auf die Herausforderungen eines weiteren Pandemie-Sommers, der bislang bewährte Veranstaltungsorte ausschließen ließ. Mit einer Kapazität von über 200 Besuchern, die knapp ausgeschöpft werden konnte, ist das Areal eine Alternative, die auch für die kommenden Jahre attraktiv bleiben sollte. Das Ambiente mit dem klugen Arrangement von Bühne, Sitz- und Aufenthaltsgelegenheiten bot eine stimmungsvolle Wohlfühlatmosphäre.
Eine weitere Premiere war der erste Auftritt des Söhne Mannheims Jazz Department (SMJD) in der Pfalz mitsamt der neuen Single „Lass los“. Dass das Publikum den Auftritt begeistert feierte, mochte dafür sprechen, dass die Formation den Erwartungen tatsächlich auch gerecht wurde. Andererseits durfte sich der Zuhörer auch bei allzu vielen Kompositionen an ein Zitat des Münchner Humoristen Karl Valentin erinnert fühlen, der einmal so einzigartig pointiert von „mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“ gesprochen hat.
Das Programm des SMJD an diesem Abend versammelte analog zu seinem ersten Album „Elyzion“ neue Arrangements von Klassikern der „alten“ Söhne wie „Geh davon aus“ oder „Das hat die Welt noch nicht gesehen“, aber präsentierte auch Eigenkompositionen. Die neuen Arrangements wirken in der Regel wie eine nette Attitüde, sie bleiben zu weit von jener Fantasie des Jazz entfernt, für die sie eigentlich stehen sollten. So wenig Mut und noch weniger Konsequenz, sich von den ikonischen Pop-Vorlagen zu lösen, hatte man bei allem Wohlwollen denn doch nicht erwartet.
Mit Jazz hatte und hat es wenig zu tun, was SMJD da zu Gehör brachten. Auch die zuletzt viel beschriebene erste „Tochter“ der Söhne, die Kölnerin Stephanie Neigel alias Phalleé, enttäuschte in ihrem Fremdeln mit dem Genre des Jazz und kam zu selten im Wesen dessen an, was abseits des Mainstreams in der Musik geschehen kann.
Vergleichbar leicht sind auch die Texte der neuen Songs. „Ich hab’ dir so viel zu verdanken, ich hab’ so viel von dir gelernt, wäre ich ein Staubkorn, dann wärst du wohl ein Stern “, heißt es zum Beispiel in „Deine Waffe ist die Liebe“. Solche Banalitäten halten den selbstgewählten Ansprüchen einer Formation wie SMJD zwar nur bedingt stand, haben allerdings und glücklicherweise nicht das politische Konfliktpotenzial vieldiskutierter Söhne-Mannheims-Songs.
Es hätte daher ein Abend des Unbefriedigten werden können, hätte es als Support nicht den Auftritt der Sängerin und Songschreiberin Julia Nagele aka Jules im Duo mit dem Südpfälzer Schlagzeuger Julian Losigkeit gegeben, die mit Jazz, Soul und größtem Gefühl die später kommenden Stars vorab regelrecht an die Wand spielten und für zahlreiche Glücksmomente sorgten.
Auftritt und Arrangements der Songs waren auf den Punkt reduziert und dabei so variantenreich und mitreißend, dass das Zuhören eine bereichernde Lust war. Ihr aktuelles Debütalbum ist eine Zusammenstellung des Onlineprojekts „Listentojules“, bei dem sie sich mit wechselnden Formationen und Künstlern getroffen hat. Dabei sind grandiose Songs entstanden. Moissl hatte Jules mit den Worten vorgestellt, dass die „tolle Sängerin aus der Region“ gerade angefangen habe, Karriere zu machen. Nicht zu große, berechtigte Worte, die mit einem Leben gefüllt werden dürften, auf das man sich freuen darf.
Ausgabe Die Rheinpfalz Germersheimer Rundschau - Nr. 188
Datum
Montag, den 16. August 2021
Seite 23